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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikelbis 4. 6. 1979 → Rahn, Die Reform der deutschen Rechtschreibung
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Das Reich, , s. 15

Die Reform der deutschen Rechtschreibung

Ein Kulturvolk wie das deutsche, das sich mit dem Gedanken trägt, seine Rechtschreibung zu reformieren — und dies so bald wie irgendmöglich —, will durch Vereinfachung des Verwickelten sein geistiges Leben entlasten und ihm dadurch neue Kräfte und Wirkungsmöglichkeiten zuführen. Wir wissen, daß es sich da um ein gefährliches Unterfangen handelt, daß ein bißchen Zuwenig das Vorhaben um seine ganze Wirkung bringen kann und daß ein geringes Zuviel unabsehbare Verwirrung stiften, ungeahnte Gegenkräfte entbinden und unberechenbare Schwierigkeiten herbeiführen kann. Wer also den Vorschlag zu einer solchen Reform machen will, muß genau die Folgen berechnen, die sich ergeben werden, und darf nicht bloß an gequälte Schulkinder, Lehrer und Ausländer denken. Hier gilt es, vor allem zu berücksichtigen, daß mit einer langen Uebergangszeit zu rechnen sein wird und daß allein der Neudruck des Mindestmaßes von praktischen, schöngeistigen und wissenschaftlichen Schriften eine ungeheure wirtschaftliche Belastung bedeutet, von der Notwendigkeit einer gewissen „Zweischriftigkeit“ für eine bestimmte Zeitspanne ganz abgesehen.

Soll nun aber all diesen Bedenken zum Trotz eine Reform der Rechtschreibung unternommen werden, so kann sie nur in nationalsozialistischem Geiste durchgeführt werden: organisch, mit Feingefühl für das Wesentliche und Mögliche, dabei entschlossen und durchgreifend. Die folgenden Vorschläge möchten diesen Forderungen genügen. Sie ergaben sich bei der Fertigstellung einer neuen deutschen Rechtschreiblehre für die höheren Schulen, wobei der Verfasser zwangsläufig mit allen Schwierigkeiten aufs genaueste vertraut geworden war. Jeden dieser Vorschläge ausführlich zu begründen, würde ein Buch erfordern. Diese Mühe bleibe mir und auch meinen Lesern erspart: das Schrifttum über diese Frage ist ohnehin ins Ungeheuerliche angeschwollen. Bei allen Verschiedenheiten im einzelnen ist der gemeinsame Grundton dieses Schrifttums der, daß eine Reform unvermeidbar sei und daß sie segensreich sein würde, wenn sie gelänge. Der Leser möge daher die Vorschläge prüfen, indem er selbst versucht, ein Sprachstück in der neuen Schreibung zu Papier zu bringen. Und nun die Vorschläge:

1. Die Buchstaben des ABC bleiben erhalten. Neue Buchstaben werden nicht eingeführt. Für das bisherige sch wird sich empfehlen, sh zu schreiben, das auch in anderen Sprachen denselben Zischlaut bezeichnet. — Die Buchstaben q, v, x und y werden in Zukunft nur für die Schreibung von Eigennamen und Fremdwörtern benützt. Begründung: v klingt genau gleich wie f, qu ist in allen Fällen lautgerecht mit kw zu bezeichnen. Im Falle qu fällt noch ins Gewicht, daß es selten vorkommt. Die Umstellung wäre reine Gewohnheitssache. Also: Quisling, Victor, Alexander, Sibylle — aber: folk, fater, kwelle, erkwikkung, hekse, flashe.

2. Die Prage der Groß- und Kleinschreibung wird dadurch bereinigt, daß große Anfangsbuchstaben nur noch am Satzbeginn, bei Eigennamen aller Art und bei der Anrede zu setzen sind. — Bei der Entscheidung, was man als Eigennamen ansprechen will, kann eine gewisse Freiheit gegeben werden.

3. Die Dehnung lang zu sprechender Selbstlaute, also langes a, e, o, u, ä, ö und ü, wird nicht mehr ausgedrückt. Eine Ausnahme soll das lange i machen. Dies wird wie bisher ie geschrieben. Abweichend von dieser Regel soll geschrieben werden:

mir, dir, wir, ir,
ziehen, fliehen, fieh,
dagegen: gefar, mer, mos, shu, frölich, ungebürlich, gefärlich.

Begründung: Während hei den Selbstlauten a, e, o, u der Grundsatz der schreiblichen Dehnung schon bisher nur andeutungsweise und willkürlich durchgeführt war, ist das lange i bisher ziemlich folgerichtig in der Schreibung zum Ausdruck gebracht worden. Die paar Ausnahmen mir, dir, wir, Lid usw. haben keine Schwierigkeiten bereitet. Andererseits trägt gerade beim langen i die Schreibung mit ie (und in einigen Fällen mit ieh) vieles zur leichten Erkennbarkeit der Wortbedeutung bei. Auch Sprachgeschichte und lebendige Mundart legen die bisherige Schreibung nahe. Man vergleiche die rücksichtslose Vereinfachung:

Si ferlisen di erziungsanstalt, um zu flien.Wir zien vi auf.

mit der geschmeidigeren und behutsameren Schreibweise:

Sie ferliesen die erziehungsanstalt um zu fliehen.Wir ziehen fieh auf.

Es bleiben hier einige Grenzfälle zu betrachten. Sie ergeben sich, wo ein langer Selbstlaut im Wort auf einen anderen Selbstlaut aufstößt. Bei sorgfältiger Lautung ist zwischen beiden Selbstlauten ein kleiner Hauchlaut vernehmbar: Mühe, Höhe, ziehen usw. In diesem Fall könnte verfügt werden, daß das Zwischen-h auch geschrieben wird, wie das bisher geschah, also

nicht: fleen, fleentlich, ruig, seen, wee, loen,

sondern: flehen, flehentlich, ruhig, sehen, wehe, lohen usw.

4. Kurzer Selbstlaut (Schärfung) wird grundsätzlich durch Verdoppelung des nachfolgenden Mitlautes ausgedrückt:

shall, tenne, irren, ferdorren, murren.

Eine Ausnahme machen diejenigen Worter, in denen auf einen kurzen Selbstlaut zwei Mitlaute folgen:

rand, werk, folk, wirt, mund.

In diesen Fallen wird die Schärfung nicht schreiblich ausgedrückt, wenn nicht eine kurze Stammsilbe auf den Mitlaut einer Nachsilbe aufstößt: wie bei stattlich, sammler, gesellschaft. Ebenso wird nicht geschärft bei nachfolgendem -ng, -ch und -sh, bei allen Vor- und Nachsilben und bei den einsilbigen Fürwörtern und Verhältniswörtern: es, das, des, was, bis, zum, fom, fon, for, an, in, ab, ob, mit, für usw. — Das bisherige gewohnte Wortbild ändert sich bis auf einige Ausnahmen in diesen Fällen nicht. Eine Aenderung tritt nur für die Schreibung des geschärften z-Lautes und k-Lautes ein. Der Folgerichtigkeit unserer Regel zuliebe fallen selbstverständlich -tz und -ck, dafür treten ein -zz und kk, welch letzteres ja schon durch die bisherige Absetzform (Rük-ken) vorgebildet ist. Es wird also in Zukunft geschrieben: mükke, kazze.

Wenn die Schärfungsregel nicht ganz bequem erscheint, so erzieht sie doch zur sprachlichen Bewußtheit und verhindert die nahegerückte Gefahr einer rein mechanischen Einstellung beim Schreibvorgang.

*

Das wäre die Reform, die ich vorzuschlagen hätte. Sie wäre einschneidend und würde unendlich viel Zeit und Kraft sparen. Sie knüpft an die Ueberlieferung an und erlaubt, viele gewohnte Wortbilder beizubehalten. Sie ist schmiegsam und erzieht zum Nachdenken bei aller Lautgerechtigkeit, die so weit getrieben ist, daß damit die deutsche Sprache im Ausland vor den verbreitetsten europäischen Sprachen, z. B. dem Französischen und Englischen, einen gewaltigen Vorsprung hätte. Schließlich würde sie, und darin besteht wohl ihr größter Vorzug, dazu führen, daß, von einigen Grenzfällen abgesehen, sämtliche Rechtschreiberegeln auf einem einzigen Merkblatt von knapp 20 Druckzeilen bequem untergebracht werden könnten! Man prüfe daraufhin die folgenden Regeln der deutschen Rechtschreibung:

1. Die Laute werden durch die Buchstaben des deutschen ABC bezeichnet. Q, V, X, Y werden nur für die Schreibung von Fremdwörtern und Eigennamen benützt.

2. Große Anfangsbuchstaben sind nur am Satzbeginn, bei Eigennamen und bei der Anrede zu schreiben.

3. Die Dehnung der Selbstlaute a, e, o, u, ä, ö, ü wird nicht schriftlich ausgedrückt. Langes i wird als -ie geschrieben. Ausnahmen: wir, ir, mir, dir; ziehen, fliehen, fieh.

4. Schärfung: Kurzer Selbstlaut wird durch Verdoppelung des folgenden Mitlautes ausgedrückt.

Nicht verdoppelt wird: a) wenn auf kurzen Selbstlaut zwei Mitlaute folgen, b) bei nachfolgendem -ng, -ch, -sh, c) bei allen Vor- und Nachsilben, d) bei den einsilbigen Fürwörtern und Verhältniswörtern.

5. Fremdwörter werden in Fremdschreibung, Lehnwörter rücksichtslos in deutscher Schreibung geschrieben, also:

hypothek, genie, sekunde; aber: rakkete, mashiene, famielie, tieger, kamien, fabrikk, tron.

*

In der vorliegenden, immer noch behutsamen Form könnte man sich also eine neue deutsche Rechtschreibung wohl denken. Denjenigen aber unter meinen Lesern, die mit selbständigem Urteil einen solchen Erneuerungsversuch verfolgen, möchte ich einige sachliche Bedenken nicht vorenthalten. Es ist ja leider nicht so, daß mit einer solchen Reform bloß alte Zöpfe abgeschnitten werden, wie jene weder sprachgeschichtlich noch lautlich im geringsten vertretbare Unterscheidung zwischen f und v (obgleich auch diese im Fall der Vorsilben ver- und vor- erhebliche „forteile“ hat!). Vielmehr ist zuzugeben, daß tatsächlich einige echte Werte dadurch verlorengehen würden.

Das großgeschriebene Hauptwort erleichtert ohne Zweifel den augenmäßigen Ueberblick über die Bedeutung der Satzglieder gerade bei schwierigeren Texten, ein Gesichtspunkt, der besonders angesichts der ungewöhnlichen Freiheit der deutschen Wortstellung ins Gewicht fällt.

Der weitgehende Verzicht auf Dehnungszeichen erschwert in nicht ganz wenigen Fällen die durchs Auge geleitete Erkennung der Wortstämme. Darin gerade besteht ja die eine wichtige Aufgabe der Rechtschreibung, und nicht bloß in der Lautgerechtigkeit der Buchstaben „Man schreibe, wie man spricht, d. h. wie man lautet!“ Dies wäre ein allzu kurzsichtiger Grundsatz für eine Reform der Rechtschreibung. Man vergleiche:

labsal und festsal
merwasser und merzal
holform und abholung
fürbitte und fürung
fernab und fernarben
du fertigst und du ferstest
feder und fede
urform und urenform
wermut und wermacht
forteile und forteilen

Oder wie liest sich der Satz: Beim einkauf der waren waren sie darauf bedacht, iren forteil zu waren —?

Und solcher Grenzfälle wird es noch viele geben! Vergessen wir jedenfalls im Eifer der Erneuerungsbewegung nicht, daß wir keine Amerikaner sind und völkisches Kulturgut nicht blindlings aus Nützlichkeitsgründen preiszugeben bereit sind.

Zum Schluß als Probe ein paar Sätze in der vorgeschlagenen Schreibung:

„Wer die deutshe sprache ferstet und studiert, befindet sich auf dem markte, wo alle nationen ire waren anbieten, er spielt dolmetsher, indem er sich selbst bereichert“, sagte Goethe einmal und drükkt damit kurz und bündig den deutshen standpunkt zum weltsprachenproblem aus; es ist,der gedanke des dienstes für das ganze, begründet auf dem bewußtsein des nationalen eigenwertes und des natürlichen rechtes, an den gütern dieser welt teilzuhaben.

Eine echte weltsprache bedarf der heiligung durch Gott und menshheit. Sie ist eins der ewigen unterpfänder für das gemeinsame, das die menshen über ire rassishe und nationale sendung hinaus ferbindet, und bildet die foraussezzung für bestimte überstatliche leistungen. Auch die weltsprache ist den gesezzen des werdens und fergehens unterworfen — aber soweit wir die menshheitsgeshichte überblikken, bleibt ir ein forzug for den sprachen, die sich überfölkische geltung nicht erringen konnten: ire literarishe überlieferung hält das bild abgeshiedener menshheitsepochen am reichsten und follkommensten fest und ist nachfolgenden geshlechtern forbild und heiligung.“ (Aus einem aufsazz fon Franz Thierfelder.)